Zur russi­schen Nach­dich­tung des „Jedermann“ am INT­RAWI

Am 3. Februar 2017 fand im Rahmen der LV „Literarisches Übersetzen Deutsch-Russisch“ unter der Leitung von assoz. Prof. Alena Petrova am INTRAWI (Institut für Translationswissenschaft) ein Kurzvortrag von Alexander Kurmachev zu seiner Nachdichtung des Theaterstücks „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal (russ. Один за всех) statt.

Bild: Alexander Kurmachev (rechts) bei der Lehrveranstaltung. (Credit: Anna Köll)

Der Vortragende Aleksandr Kurmachev, der in Moskau aufgewachsen ist und studiert hat, lebt seit einigen Jahren in deutschsprachigen Ländern (vorwiegend in Bad Reichenhall) und studiert derzeit in Salzburg am Fachbereich Slawistik. Seine Interessen und Tätigkeiten sind sehr vielfältig. Er ist Journalist, Autor des Reiseführers „Alpine Ski“ (2003–2007) und der Rezensionssammlung „Musikreisen eines Laien“ (2006) sowie ständiger Kommentator von OperaNews und Belcanto (2007–2015). Seit 2007 wirkt er bei den Salzburger Festspielen als akkreditierter Journalist mit. Im Sommer 2016 nahm Kurmachev als Statist an der Weltpremiere der Oper von Thomas Adès und Tom Cairns „The Exterminating Angel“ teil. Die im Dezember 2016 erschienene und in Moskaus Buchläden bereits ausverkaufte Nachdichtung „Jedermanns“ ist sein zweites großes Werk in Versen. Im Jahr 2015 erschien der Gedichtband „Die gereimten Gedanken“. Derzeit wird sein Roman „Das verlorene Jahr“ (1. Teil einer Trilogie) zum Druck vorbereitet. Nun besuchte er das INTRAWI.

Bei Vorträgen auf Russisch ist das Zielpublikum meistens sehr überschaubar, umso erfreulicher war es, dass bei diesem Vortrag ca. 20 Russisch-Studierende und -Lehrende des INTRAWI und der Slawistik anwesend waren, die sich für Literatur und Literaturübersetzen interessieren. Am Anfang des Vortrags wurden die ZuhörerInnen in die zentralen Themen des „Jedermann“ eingeführt, der seit 1920 als eine Art Visitenkarte der Salzburger Festspiele fungiert. Danach folgten spannende Ausführungen zu den Besonderheiten und der Entwicklung der Gattung der Mysterienspiele. Anschließend erzählte Kurmachev von der Entstehungsgeschichte seiner Nachdichtung und seiner Vorgehensweise. Seine Nachdichtung ist um ca. 1/3 länger als das Originalwerk, einige Figuren bzw. Figurennamen wurden geändert, österreichische Realien wurden durch russische ersetzt usw. D.h., das „Ausgangsmaterial“ erfuhr eine interpretatorische Transformation durch die Weltsicht, Lebenserfahrungen und die eigene künstlerische Sprache des Übersetzers. Dabei wurde die Sprache – im Gegensatz zu Hofmannsthals Text – nicht archaisiert und der Gebrauch der obszönen Lexik in dieser Nachdichtung, die einem beim Lesen kaum auffällt, trägt dazu bei, dass der Geist der mittelalterlichen Mysterienspiele in einem zeitgenössischen russischen Text – sprich: vor den Augen der Rezipienten aus einem ganz anderen Kulturkreis und in einer vom Mittelalter weit entfernten Epoche – auflebt. Im Vortrag sowie in der anschließenden Diskussion wurden u.a. folgende Fragen thematisiert: Welche Rolle spielt die Persönlichkeit des Übersetzers bei der Interpretation des Originalwerks? Wo hört das Originalwerk auf und wo beginnt das kreative Schaffen des Übersetzers? Wo liegen die Grenzen des Zulässigen beim kreativen Umgang mit dem Original? Sind Literaturübersetzen und Nachdichten zwei grundverschiedene Tätigkeiten, die unterschiedlichen Umgang mit dem Originaltext voraussetzen und unterschiedliche Übersetzungsstrategien erfordern? Bei der beeindruckenden Lesung einiger Ausschnitte kamen aber auch Themen wie „Was ist Glaube?“, „Was ist Liebe?“, „Worin liegt der Sinn des Lebens?“ zur Sprache.

Aus den positiven Rückmeldungen zur Veranstaltung, die noch einige Tage danach nicht aufhören wollten, ging u.a. hervor, dass sich die Anwesenden aufgrund des Vortrags nach wie vor mit der Beantwortung dieser Fragen in Bezug auf ihr eigenes Leben auseinandersetzten. Kurmachev meinte, wenn man ein Kunstwerk zum richtigen Zeitpunkt im Leben rezipiert, so erzählt es einem etwas Wichtiges über sich selbst. Aus dieser Perspektive kann man ohne Zweifel behaupten: Seine Nachdichtung des „Jedermann“ hat ihre Leser in Innsbruck gefunden.

(Alena Petrova)

Презентация мистерии «Один-за-всех» в Институте перевода (INTRAWI)

3 февраля 2017 года в Институте перевода (INTRAWI) при Инсбрукском университете (Австрия, Тироль) состоялась презентация мистерии «Один-за-всех». Автор книги А. Курмачёв поделился своим взглядом на историю мистерии как жанра и рассказал, почему именно пересказ сюжета драмы Гофмансталя «Йедерман» современным русским языком с использованием некодифицированной лексики является наиболее аутентичной формой мистерии в её средневековом виде.

Отдельное внимание было уделено механизму творческой интерпретации оригинального текста и, что особенно интересно для профессионалов, реализации переводчиком определенной сверхзадачи, связанной с раскрытием внутренней формы первоисточника, обнажение его скрытых смыслов и предложение новых интерпретаций.

Во время дискуссии, состоявшейся после доклада и чтения отрывков из мистерии, было задано много вопросов относительно названия мистерии, влияния на авторское переложение таких драматических образцов, как пьеса Л. Филатова «Про Федота Стрельца», а также творчества Фимы Жиганца (Александра Сидорова). А. Курмачёв назвал пьесу Леонида Филатова недосягаемым образцом уникального авторского переложения магистральных тем русского фольклора.

Также был затронут вопрос замены некоторых персонажей оригинальной драмы Гофмансталя: например, вместо братьев Йедермана в мистерии «Один-за-всех» появляются две комические дамы-филологини – Толстуха-в-очках и Тощая-кляча-в-очках. По словам А. Курмачёва, выяснения родственных отношений в драме Гофмансталя не выглядят ни убедительными по форме, ни интересными по сути и никак не укладываются в представление русского человека об отношениях между братьями. Именно поэтому эта линия была полностью купирована. Проблема же независимых женщин сегодня стоит как никогда остро, и именно поэтому в мистерии «Один-за-всех», в которой за каждым персонажем стоит реальный прототип, появились две старые девы, влюблённые в иллюзии собственной исключительности больше, чем в людей, которые их окружают. В итоге именно Толстуха-в-очках и Тощая-кляча-в-очках произносят главное определение любви – чувства, которое им так и не дано было испытать, поскольку люди, испытывающие это чувство, не нуждаются в том, чтобы о нём говорить.

Особенную реакцию вызвал кульминационный диалог Веры и Одного-за-всех об устройстве мироздания и о связи Создателя с Человеком. По признанию самого автора, этот монолог — эмоционально самая мощная и самая проникновенная сцена во всей мистерии.

Автор выражает горячую благодарность за великолепную организацию мероприятия – адъюнкт-профессору Инсбрукского университета доктору Алёне Петровой.

Kurzvortrag mit Lesung mit Alexander Kurmachev

zu seiner Nachdichtung des Theaterstücks „Jedermann“ von H. von Hofmannsthal (Один за всех)

Der Vortrag (vorwiegend in russischer Sprache) mit anschließender Diskussion (Fragen auf Deutsch willkommen!) richtet sich an alle, die sich für Literatur und Literaturübersetzen interessieren.

Infos zum Autor:

Aleksandr Kurmachev wurde 1973 in Ljuberzy bei Moskau geboren. Im Jahr 1996 absolvierte er die Philologische Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität. Er ist Journalist, Autor des Reiseführers „Alpine Ski“ (2003-2007) und der Rezensionssammlung „Musikreisen eines Laien“ (2006) sowie ständiger Kommentator von OperaNews und Belcanto (2007–2015). Seit 2007 wirkt er bei den Salzburger Festspielen als akkreditierter Journalist mit. Im Sommer 2006 nahm Kurmachev als Statist an der Weltpremiere der Oper von Thomas Adès und Tom Cairns „The Exterminating Angel“ teil. Die Neuerscheinung Один за всех (nach Hofmannsthals „Jedermann“) ist sein zweites großes Werk in Versen. Im Jahr 2015 erschien der Gedichtband „Die gereimten Gedanken“. Derzeit wird sein Roman „Das verlorene Jahr“ (1. Teil einer Trilogie) zum Druck vorbereitet.

Александр Курмачёв родился в 1973 году в подмосковных Люберцах, в 1996 году окончил филологический факультет МГУ. Журналист, автор горнолыжного путеводителя по странам Европы и Северной Америки «Alpine Ski» (2003–2007), сборника рецензий «Музыкальные путешествия дилетанта» (2006), постоянный обозреватель «OperaNews» и «Belcanto» (2007– 2015). С 2007 года по настоящее время сотрудничает с Зальцбургским фестивалем как аккредитованный журналист. Летом 2016 года участвовал как статист в мировой премьере оперы Тома Адеса «Ангел–истребитель». Настоящая книга – второе поэтическое издание автора: в 2015 году вышел сборник стихов «Рифмованные мысли». В настоящее время готовится к изданию роман «Потерянный год» – первая часть трилогии «За всех».

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